Gleiches Alter – aber biologisch nicht gleich alt
Als Kind bei den Kleinsten – als Erwachsener durchschnittlich gross. Als Kind bei den Grössten – als Erwachsener keineswegs grossgewachsen. Von solchen Entwicklungen haben Sie in Ihrem Bekanntenkreis zweifellos auch schon gehört. Aber wie kommt es dazu? Wie lässt sich dieses Paradox erklären? Kinder können gleich alt sein, aber unterschiedlich bezüglich der Knochenreifung (biologisches Alter)
Der springende Punkt ist die Pubertätsentwicklung.
Genau genommen ist es der Zeitpunkt, zu dem die Pubertät beginnt. Wenn die Pubertät früh beginnt, ist das Wachstum früh zu Ende. Beginnt dagegen die Pubertät erst spät, dann endet das Wachstum ebenfalls erst spät.
Betroffene werden also immer noch wachsen, wenn alle Gleichaltrigen bereits ausgewachsen sind. Es gibt also «Frühentwickler» und «Spätentwickler». Im medizinischen Jargon heisst das «konstitutionelle Verzögerung» oder «konstitutionelle Beschleunigung von Wachstum und Pubertätsentwicklung». Wieder ist die Vererbung am Werk, denn der «Fahrplan», also die Tendenz, sich früh oder spät zu entwickeln, wird vererbt. Die gleichen «Fahrplanmuster» wiederholen sich in den gleichen Familien immer wieder. Eine durchschnittlich grosse Mutter berichtet: «Ich war in der Schule immer die Kleinste und bin sehr lange gewachsen. Meine erste Periode hatte ich erst mit 16 Jahren. Und jetzt gehört meine Tochter auch zu den Kleinen.»
Wie es beim Wachstum weitergehen wird, kann man bereits ab dem Vorschulalter mehr oder weniger genau voraussagen. Schon ab dem zweiten Geburtstag kann man das biologische Alter mit Hilfe eines Handröntgenbildes bestimmen. Dabei geht es nicht, wie viele denken, um die Grösse oder die Länge der einzelnen Handknochen, sondern um ihre dreidimensionale Form. Diese wird vom Betrachter aus dem zweidimensionalen Handröntgenbild herausgelesen.
Die Form jedes Handknochens
Sie wird einem bestimmten Reifestadium zugeordnet. So kommen je nach Methode die Reifestadien von 13 oder 20 verschiedenen Handknochen zusammen, welche dann so gut wie möglich gemittelt werden. Die so berechnete Knochenreifung widerspiegelt das biologische Alter. Mit zunehmendem Alter wird die Bestimmung des biologischen Alters immer genauer. Aus dem Handröntgenbild die zukünftige Erwachsenengrösse abzulesen, ist keineswegs vergleichbar mit dem Handlesen. Es handelt sich vielmehr um eine wissenschaftlich fundierte, ganz seriöse Methode. Zu jeder Wachstumsabklärung gehört ein Handröntgenbild, damit das Knochenalter, das dem biologischen Alter entspricht, bestimmt werden kann. Aufgrund des Handröntgenbildes können erfahrene Ärzte berechnen, wann ungefähr die Pubertätsentwicklung beginnen wird, ob sie früh oder spät einsetzen wird. Daraus lässt sich ableiten, wie gross ein Kind letztlich als Erwachsener wird.
Wenn sich der Körper nicht an die Zeit hält
Bei einigen Kindern hält sich der Körper nicht so genau an die Zeit, die durch Uhren und Kalender vorgegeben wird. Wenn es der Körper eilig hat, lässt er die Entwicklung beschleunigt ablaufen, das biologische Alter ist dem chronologischen Alter voraus, die Pubertät beginnt früher und das Kind ist früher ausgewachsen. Umgekehrt kann der Körper ein sehr gemächliches Tempo vorgeben, die Entwicklung verläuft verzögert, die Pubertät beginnt verspätet, das Kind wächst länger und ist erst später ausgewachsen als der Durchschnitt der Gleichaltrigen – und zwar in der Regel ohne irgendeine krankhafte Störung.
Bestimmung des Knochenalters
Zur Bestimmung des Knochenalters stehen verschiedene Methoden zur Verfügung. Seien Sie vorsichtig: Es gibt nicht sehr viele Ärzte, welche genug Erfahrung haben, um aus einem Handröntgenbild mit ausreichender Sicherheit das Knochenalter zu bestimmen. Es braucht sehr viel Erfahrung dazu. Nur wer jedes Jahr mehr als hundert Knochenalter bestimmt und dabei verschiedene Methoden verwendet, verfügt über genügend Erfahrung, um das Knochenalter zuverlässig zu bestimmen und daraus die zukünftige Erwachsenengrösse zu errechnen. Dies ist auch die Erklärung dafür, weshalb viele junge Erwachsene enttäuscht sind, dass sie nicht so gross geworden sind, wie sie erwartet haben; «Mein Arzt hat mir doch damals vorausgesagt, dass ich 180 cm gross werde und jetzt bin ich nur 165 cm und wachse nicht mehr weiter…»